Fragen: Ja, aber wie?

Kinder denken nicht über ihre Fragen nach, sie stellen sie einfach. Diese Fähigkeit verlieren wir alle im Laufe des Erwachsenwerdens, wir beginnen, über unsere Fragen und ihre Wirkung auf unseren Gesprächspartner nachzudenken. Vor allem auf beruflicher Ebene möchten wir uns keine Blöße geben und verzichten manchmal auf eine Frage, obwohl sie uns viel Rechercheaufwand erspart hätte. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, Fragen zu stellen und die benötigten Informationen zu bekommen.

Fragen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Diese Kategorien verfolgen unterschiedliche Zwecke:

Die Höflichkeitsfrage

Sie wird zur Einleitung eines Gesprächs und zur Begrüßung gestellt. Sie wollen Ihrem Gesprächspartner Interesse vermitteln und ihm gleichzeitig Ihren Respekt erweisen. Hierzu gehören Fragen wie

  • Hatten Sie eine angenehme Anreise?
  • Wie geht es Ihnen?
  • Ist das Wetter bei Ihnen auch so schlecht?

oder solche, mit denen Sie einen weiteren Gesprächsteilnehmer vorstellen:

  • Kennen Sie…

Diese Fragen hängen von der Situation ab, in der Sie sich gerade befinden. Die Informationen, die Sie als Antwort auf eine solche Frage erhalten, verraten Ihnen, in welcher Stimmung sich Ihr Gesprächspartner befindet und sind idealerweise mit einer Überleitung zum eigentlichen Gesprächsthema verbunden.

Die geschlossene Frage

Geschlossene Fragen lassen nur vier Möglichkeiten der Beantwortung zu: Ja, Nein, mit einer bestimmten Information oder man kann die Frage nicht beantworten. Mit der geschlossenen Frage stellen Sie fest, ob ein bestimmter Sachverhalt oder eine bestimmte Situation eingetreten ist:

  • Haben Sie mein E-Mail erhalten?                             (Ja/Nein)
  • Wissen Sie, wo … ist?                                                   (Ortsangabe/Weiß nicht)
  • Welche Durchwahl hat Ihr Fax?                                (-123)

Wenn Ihr Gespräch zu viele geschlossene Fragen enthält, kann es sein, dass sich Ihr Gesprächspartner in die Enge gedrängt fühlt. Ihre geschlossenen Fragen geben Ihrem Gesprächspartner keine Möglichkeit, seine Gedanken in ein Gespräch einfließen zu lassen und Ihnen gehen eventuell wichtige Informationen verloren. Geschlossene Fragen eignen sich eigentlich nur zum Abschluss eines Gesprächs:

  • Terminvorschlag („Passt Ihnen der xx.xx.xxxx?” Antwort: Ja/Nein)
  • Bestätigung der Vereinbarung („Sind Sie damit einverstanden?” Antwort: Ja/Nein)

Die offene Frage

Mit offenen Fragen geben Sie Ihrem Gesprächspartner die Möglichkeit, seinen eigenen Blickwinkel darzustellen, aus dem Sie Ihre Schlüsse und Informationen ziehen können. Hierzu gehören Fragen wie:

  • Welche Ziele verbinden Sie mit…?
  • Wie soll das Konzept genau umgesetzt werden?
  • Was gibt es in Bezug auf… Ihrer Meinung nach zu beachten?

Vielleicht ist Ihnen an dieser Stelle aufgefallen, dass alle diese Fragen mit einem „W” zu beginnen scheinen. Das ist tatsächlich so, diese Fragetechnik wird in der Literatur deshalb auch als „W-Frage” bezeichnet. Mit dieser Fragetechnik erfahren Sie eine Menge über den Standpunkt, die Ziele, Erwartungen und Wünsche Ihres Gesprächspartners. Mit diesen Fragen können Sie das Gespräch auch steuern, beispielsweise um Feedback zu erhalten oder die weitere Planung Ihres Gesprächspartners in Erfahrung zu bringen. Achten Sie unbedingt darauf Ihre Fragen nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen. Stellen Sie Ihre Frage lieber im Passiv, wenn das Aktiv als Vorwurf verstanden werden könnte:

  • Wieso haben Sie mir … erst jetzt geschickt?

Mit dieser Frage machen Sie Ihrem Gesprächspartner einen Vorwurf und implizieren, dass das, was nicht optimal gelaufen ist, die Schuld Ihres Gesprächspartners sei, auch wenn Sie eventuell etwas ganz anderes ausdrücken wollen. Leiten Sie Ihre Frage stattdessen mit einer Feststellung ein („Ich habe … erst gestern erhalten”) und fragen Sie:

  • Wissen Sie, woran es lag, dass … erst gestern verschickt wurde?

Auf diese Weise kann Ihr Gesprächspartner Ihnen die Situation erklären, ohne sich persönlich angesprochen zu fühlen und Sie erhalten die Möglichkeit, nach einer gemeinsamen Lösung oder Verbesserung für die zukünftige Zusammenarbeit zu suchen. Nebenbei erhalten Sie noch wertvolle Informationen über die Prozesse und Zuständigkeiten im Unternehmen.

In diese drei großen Kategorien lassen sich fast alle übrigen Fragen einordnen, wie beispielsweise:

  • Aufmerksamkeitsfragen („Was meinen Sie dazu?”) wenn Ihr Gesprächspartner längere Zeit zuhören muss, z. B. bei einer Präsentation
  • Rückfragen, mit denen Sie weitere Informationen und eventuell Zeit gewinnen („Wie meinen Sie das?”)
  • Entscheidungsfragen („Welcher meiner Vorschläge passt Ihrer Meinung nach in Ihr Gesamtkonzept?”)
  • Reflektierende Fragen („Habe ich Sie richtig verstanden…?”), mit denen Sie Punkte Ihres Gesprächspartners aufgreifen und ihm die Gelegenheit geben, weiter ins Detail zu gehen

Rhetorische Fragen, Suggestivfragen, provokative und unterstellende Fragen gilt es zu vermeiden, denn damit wecken Sie negative Emotionen bei Ihrem Gesprächspartner. Er fühlt sich unter Umständen schnell zu etwas gezwungen, was er nicht will – und alle Ihre Bemühungen sind umsonst. Rhetorische Fragen eignen sich beispielsweise für den Beginn von Präsentationen, wenn es darum geht, die im Raum noch vorhandene Unruhe in Konzentration auf die Präsentation umzuwandeln. Diese Fragen können dann durchaus auch provokativ oder sogar suggestiv sein, denn es wird keine Antwort erwartet. Das klassische Beispiel für eine solche Frage ist der Beginn der ersten Rede Ciceros gegen Catillina („Wie lange noch, Catillina, willst du unsere Geduld missbrauchen?”[1]).

Alle diese Fragetechniken kann man erlernen und üben. Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Gesprächspartners und lassen Sie Ihre Fragen, deren Zweck, Ziel und erwünschte Antwort Sie ja kennen, auf sich wirken. Wie würden Sie reagieren und weshalb? Wenn Sie negativ reagieren oder kein gutes Gefühl bei Ihrer Frage haben, formulieren Sie sie um. Binden Sie Ihre Fragen in ein Gespräch ein, lassen Sie keinesfalls den Eindruck entstehen, dass Sie eine Liste abarbeiten (auch, wenn das der Fall sein sollte). Stellen Sie gegebenenfalls eine oder mehrere Fragen zurück, stellen Sie sie erst in einem weiteren Gespräch, wenn Sie merken, dass Ihr Gesprächspartner gerade nicht dafür empfänglich ist.

Analysieren Sie Ihre Fragen: handelt es sich eventuell doch um eine geschlossene Frage, die Sie durch eine offene ersetzen oder ergänzen wollen:

  • „Ist das neue Produkt auf Ihrer Webseite schon erhältlich?” (Geschlossene Frage!)
  • „Auf welchen Märkten soll es eingeführt werden?” (Offene Frage, die zur Frage, in welcher Sprache die Dokumentation noch benötigt wird, führt)

Erfolgreich eingesetzte Fragetechniken verlangen zwingend, dass Sie sich voll und ganz auf das Gespräch konzentrieren und aktiv zuhören. Achten Sie auf Zwischentöne, Nebensätze, Ausweichmanöver, Hinweise Ihres Gesprächspartners. Hinter all dem verstecken sich häufig für Sie wichtige Informationen, die unter Umständen das Thema des nächsten Gesprächs oder den Abbruch der Geschäftsbeziehung vorgeben können. Sorgen Sie für eine ruhige Umgebung und planen Sie Zeit für solche Gespräche ein, nehmen Sie sich die dafür notwendige Zeit.

Dumme Fragen gibt es nicht, manche Fragen sind einfach nur ungeschickt formuliert.

Ich wünsche Ihnen viel spannende Antworten!


[1]  Quousque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? (https://de.wikipedia.org/wiki/Quo_usque_tandem_abutere,_Catilina,_patientia_nostra%3F)